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Veränderte Perspektive: Der Blick auf den Gebäudekomplex an der Prorer Wiek |
Prora (BM). Im Januar diesen Jahres berichteten wir über ein ungewöhnliches Projekt: Der Fotograf Markus Georg Reintgen dokumentierte dabei die bauliche Anlage des "Koloss von Prora" auf der Schmalen Heide, indem er die Perspektive darauf veränderte. Nun erreichte uns die Nachricht, dass der Mainzer für sein fotokünstlerisches Projekt mit dem 3. Platz des Altiero Spinelli - Preis geehrt wurde.
Markus Georg Reintgens neue Sicht resultierte dabei aus einer Perspektive, die sich von einem Rollstuhl aus ergab. Zum Einfangen der Bilder nutzte er zudem einen Fotoapparat
der Marke ADOX aus den 50er Jahren, die mit einem 6 x 6 cm Rollfilm
bestückt wurde. Entstanden sind so schwarzweiss Bilder, die - bedingt durch
die zeitliche Nähe der Fototechnik - aussehen, als hätten sie eine
Zeitreise vollzogen. Sie wirken - im Gegensatz zu einem digitalen
Schnappschuss aus einem Smartphone - deutlich grafischer und verfügen
über einen stärkeren Kontrast. Das unterstreicht auch das Bauwerk noch
einmal in seiner Wirkung auf den Betrachter.
Auf Rügen ist das Bauwerk bestens bekannt: Einst als KdF-Seebad konzipiert, wurde die bereits im Rohbau
fertiggestellte Ferien- und Freizeitanlage für 20.000 Menschen nach dem
Krieg zur militärischen Nutzung umgewidmet. Nach dem Abzug der
Streitkräfte sollte sie dann eine zivilie Nutzung erfahren. Doch die
Entwicklung der letzten Jahrzehnte - die zunächst durch Kunst und Kultur
später auch durch eine Jugendherberge oder nun durch die Planung von
Luxuswohnungen geprägt wurde - wirft bis heute Fragen auf. Antworten suchte dabei auch Markus Georg Reintgen.
Seine Sorge, dass das "Neue Prora" die Erinnerung an die Monumentalarchitektur und Sozialgeschichte der Zeit des Nationalsozialismus und Sozialismus auslöscht, ist begründet. Ein Besuch vor Ort zeigte das Problem auf und war für Markus Georg Reintgen Anlaß, bauliche Veränderungen, Eingriffe und unterschiedliche Nutzungszusammenhänge darzustellen, zu kommentieren und zu deuten.
Dabei blieb auch die Begegnung mit dem Historiker Dr. Stefan Wolter folgenreich, denn: Der stumme Protest gegen die Außerkraftsetzung der Sozialgeschichte dieses Ortes mit den Mitteln der Fotografie mündete 2016 sogar in eine gemeinsame Petition mit Dr. Stefan Wolter und Anett Hannemann. Sie hatte zum Ziel, Teile des Blocks V in Form eines Mahn- und Denkmals für die Gesamtanlage zu sichern. Diese Petition fand innerhalb von vier Wochen bereits etwa 15.000 Unterstützer.
Die Auszeichnung der fotoküstlerischen Arbeit "SCHERBEN_VON_PRORA" mit dem 3. Platz des Altiero Spinelli Preises für die Verbreitung von Wissen über Europa von der EU-Kommission ist auch für Rügen von Bedeutung. Hebt sie doch auch das historische Erbe Rügens im Jahre 2018 auf eine überregionale Ebene.
Markus Georg Reintgen wurde 1963 in Nastätten, Loreley/Rhein, geboren. 2002 begann er sein Studium an der Akademie für Bildende Künste der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bei Prof. Dr. Vladimir Spacek. Ab 2006 studierte er an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Frankfurt bei Prof. Simon Starling und schloß das Studium 2010 ab. 2011 begann seine künstlerischen Auseinandersetzung mit Prora.