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Vorderansicht des Gutshauses Plüggentin |
Erst vor kurzem führten uns unsere Streifzüge über die Insel nach Samtens. Das Kirchdorf gehörte jedoch ursprünglich zum Gut Plüggentin. Mit sechs steuerbaren Hakenhufen 1314 erwähnt, war der Flecken einst der Stammsitz des pommerschen Adelsgeschlechtes von der Osten. 1532 werden bereits zwei Bauernhöfe und eine Kate verzeichnet. Und für 1580 ist die Lieferung des „Kornzehnten“ für Plüggentin durch Andreas v. d. Osten vermerkt. Soweit die Geschichtsschreibung. Und da auch wir immer nach Bildern zu Namen suchen, um es eingängiger zu gestalten, fiel uns spontan der Sprecher Ulrich v. d. Osten vom Nachrichtensender n-tv ein. Er ist also ein Nachkomme dieser alten pommerschen Adelsfamilie aus Plüggentin.
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Rittergut Plüggentin um 1860, Sammlung Alexander Duncker |
Doch wo liegt eigentlich dieses Plüggentin? Wer das alte Gut sucht, benötigt weit mehr als Lese- und Vorstellungskraft. Mit dem Auto würde man vielleicht an dem ursprünglichen Flecken vorbei fahren. Auch in einschlägiger Reiseliteratur findet das ehemalige Rittergut kaum noch Erwähnung. Eingepfercht zwischen Einkaufsmarkt, Küchenzentrum und kleinen parzellierte Flächen führen seine Reste ein geradezu trostloses und unscheinbares Dasein. Samtens! Eine Allee durch die das Gutshaus einst direkt – von der Hauptverkehrsstraße zwischen Bergen und Stralsund - erschlossen war, ist mit einem Wall zur Sackgasse geworden. Ruhe für die Anwohner. Nun kommt man also nur noch über verschlungene Nebenstraßen – vorbei an Tankstelle und Sporthotel – nach Plüggentin - oder vorbei an der Kirche von Samtens.
Dabei hatte dieser Flecken einst Bedeutung. Das Gut umfasste früher einmal die Rittergüter Muhlitz und Carow, sowie das bereits erwähnte Kirchdorf Samtens, das Patronat (!) dieser Kirche, das Bauerndorf Dumrade und das Dorf Negast. Dank des Verlegers und Buchhändlers Alexander Dunker ist uns auch eine Ansicht aus dem Jahre 1860 erhalten geblieben. Die Darstellung fand Eingang in dessen Sammlung ländlicher Wohnsitze, Schlösser und Residenzen ritterlicher Grundbesitzer Preußens. Zu sehen ist ein langgestrecktes, zweigeschossiges Traufenhaus aus verputztem Backstein. Das Erdgeschoß ist gegen das Obergeschoß abgesetzt, der Eingang wirkt schlicht - wie die im Dach befindliche Fledermausgaube.
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Der schwedische König Gustav IV. Adolf (1778-1837) |
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Der Literat und Museumsgründer Rudolf Bayer (1818-1907) |
Zwei kleine Randnoten sind aus dieser Zeit noch zu erwähnen: So soll hier 1807 der schwedische König Gustav IV. Adolf (1778-1837) hier gewohnt haben. Eine andere ist diese: 1819 begab es sich nun, dass Magnus Baier das Rittergut Natzevitz erwarb. Sein Sohn Rudolf Baier, der spätere Museumsgründer von Stralsund, verbrachte so seine Kindheit in unmittelbarer Nähe zu Plüggentin. Folgenreich! Denn der junge Rudolf Baier verliebte sich in die hier wohnenende Elise. Das spätere Verlöbnis mit seiner Jugendliebe musste er jedoch auf Betreiben des Vaters, des Kamerherrn von der Lancken, wieder lösen. In dem Buch „Auch ich war ein Rüganer“ - auf Seite 39 - von Gert Liebling wird der Vater von Elise u.a. mit folgenden Worten zitiert: „Verdienen Sie erst einmal Geld, junger Mann! Was stellen Sie sich eigentlich vor? Was ist denn das, Literat?“ Ob die Worte genau so gefallen sind, wissen wir natürlich nicht – aber: Rudolf Baier war wohl nicht standesgemäß. Überliefert ist, dass er zeitlebens Junggeselle blieb...
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Historische Ansicht des Gutshauses |
Dem Rittergut Plüggentin sollten noch bewegte Zeiten bevorstehen. Nachdem es Besitzung der Familie von der Lancken-Wakenitz wurde, beginnen um 1900 mehrere Eigentümerwechsel, die auf instabile wirtschaftliche Verhältnisse schließen lassen. Erst wird es ab 1901 von Friedrich Ernst von Langen, ab 1911 von Ulrich Anders und von 1916 an durch Gerhard Sprickerhof bewirtschaftet. Dann – nach einer Zwangsversteigerung – fällt es schließlich 1931 an eine Sparkasse. Zu einem wohl ungewöhnlichen Aufenthalt kommt es 1945. Da flieht der Gauleiter und Reichverteidigunskommissar für Pommern, Franz Schwede-Coburg (1888-1960), vor der heranrückenden Roten Armee auf die Insel Rügen. Während dies vielen Zivilisten nicht mehr möglich war, verließ Schwede-Coburg am 4. Mai 1945 die Insel mit einem Schiff. Von Sassnitz aus wurde Schleswig-Holstein angesteuert, wo er zunächst in englische Kriegsgefangenschaft ging und anschließend eine Haftstrafe (bis 1956) antreten musste.
Das Gut wird 1945 enteignet. Da Wohnraum nach dem Ende des zweiten Weltkriegs knapp ist – Zehntausende Flüchtlingen aus Hinterpommern, Schlesien, Ostpreußen und dem Sudetenland hat es nach Rügen verschlagen – wird das Gutshaus zum ersten Obdach und späteres Wohnhaus.
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Franz Schwede-Coburg (1888-1960) |
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Hofansicht des Gutshauses Plüggentin |
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Giebelansicht des Gutshauses Plüggentin |
Der vom Obergeschoß abgerenzende breite Fries ist im Ansatz auch heute
noch erkennbar. Allerdings ist das Eingangsportal komplett geschliffen
worden. Auch die mit dem Portal erst wirkende Satteldach-Gaube wurde
durch eine Schleppgaube, wahrscheinlich zur Raumgewinnung im
Dachgeschoß, ersetzt. Nach Aussagen Dritter soll ein Teil der früheren
Ausstattung noch vorhanden sein. Dies betrifft einen Saal im Erdgeschoss
mit Wandtäfelung und Kasettendecke, sowie Stuckdecken in anderen Räumen
mit gemalten Medaillons. - Kaum vorstellbar! Äußerlich hat das Gutshaus
in den letzten Jahren wieder deutlich gewonnen. Im Gegensatz zu anderen
Häusern dieser Art wurde die dauerhafte Nutzung für den Bau zur
"Lebensversicherung". Die Perspektive für die Zukunft hat sich - trotz
des Umfeldes - deutlich verbessert. Nur eine weitere Entwicklung ist
begrenzt. Schade!
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Weitere Beiträge aus der Reihe "Zwischen Sund und Kap Arkona" mit den Orten von A-Z:
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Extra-Folgen:
Die Müther-Bauten auf der Insel Rügen (in Baabe, Binz, Borchtitz, Buschvitz, Gingst, Glowe, Sassnitz und Sellin) / Das "Hans-Mallon-Grabmal /
Weitere Artikel zu den Großsteingräbern sind unter der Kurzserie "Romantisches Rügen" erschienen:
Die Großssteingräber von Lonvitz, Lancken Granitz, Dwasieden und Lauterbach
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